Anfang September stieg ein Jubiläumsklassentreffen meines Abiturjahrganges in Rostock. Wie kommt man aber am schlauesten aus der Schweiz dorthin? Man könnte in ein Flugzeug steigen, was mir mit dem ganzen Drumherum zuviel Stress ist. Man könnte mit dem Auto, welches ich nicht habe, fahren oder sich das Abenteuer Zug – also Deutsche Bahn – antun.
Man kann aber auch mal Aktivferien auf dem Velo machen. Aus der fixen Idee wurde nach und nach ein Plan. Ein bisschen Ausrüstung wurde gekauft, die Strecke wurde grob abgesteckt und nach und nach verfeinert, die eine oder andere längere Probefahrt wurde unternommen, um Mensch und Material auf Tauglichkeit zu testen.
Dann fiel Ende August der Startschuss – es galt am Ende der ersten Septemberwoche in Warnemünde zu sein. Für die knapp 1300km waren 14 Tage Zeit – im besten Falle würde ich nach elf Tagen angekommen sein.
Die Reise begann mit grauem Himmel und eher kühlen Temperaturen. Bald wartete auch die erste Hürde – der Jura, stellt sich quer in den Weg. Dank des vorherigen Kartenstudiums schnippste ich an der wohl niedrigsten Stelle des Gebirges hinüber.
Auf der anderen Seite des Jura schien dann plötzlich die Sonne und so wurde die Fahrt hinunter nach Basel zum Vergnügen.
Bald schon war dann auch der erste Meilenstein erreicht – die Grenze zu Deutschland.
Am nächsten Tag ging es auf der französischen Seite des Rheins weiter.
In der flachen Gegend fuhr es sich flott an vielen Industrieanlagen entlang.
Ansonsten war die Landschaft hier nicht besonders abwechslungsreich, es gab kaum Kurven oder Kreuzungen. Die einzige Veränderung war manchmal nur der Kilometerstand auf dem Tacho.
Zum zweiten Mal überquerte ich den Rhein, diesmal auf einer Fähre, um in Deutschland zu übernachten.
Der dritte Tag begann am Rhein-Rhône-Kanal und geradeaus ging es weiter nach Strasbourg. Die Landschaft war inzwischen deutlich interessanter.
Am Rande der Innenstadt rollte ich durch Strasbourg durch, dem Münster konnte ich jedoch noch zuwinken.
Nach Kehl fuhr ich dann ein letztes Mal über den Rhein, dann weiter durch dessen Ebene nach Karlsruhe.
Es folgte die “Königsetappe” von Karlsruhe nach Bürgstadt am Main. Zunächst rollte ich weiter durch die Rheinebene an SAP vorbei nach Heidelberg, um von dort am Neckar entlangzufahren.
Es wurde etwas welliger und der Odenwald baute sich bald in voller Grösse auf.
Irgendwann liess es sich nicht mehr vermeiden und ich verliess den Lauf des Neckar und bog direkt in den Odenwald ein. Nach rund 15km Kurbelei bergauf sauste ich auf der anderen Seite wieder herunter – immer dem Main entgegen.
Am Morgen des fünften Tages fuhr ich weiter auf dem Main-Radwanderweg, hier gab es auch mit Abstand die meisten Velo-Touristen (nicht, dass es besonders voll gewesen wäre).
Nach einigen Schleifen, durch die sich der Fluss hindurch wand, bog ich Richtung Würzburg ab und überquerte dort den Main, um quer über’s Land nach Schweinfurt zu fahren.
Im Radio wurde von möglichen Gewittern geredet und auch der Himmel sah danach aus, aber das Wetter hielt sich auch am nächsten Tag. Das Ziel war diesmal Schmalkalden am Südhang des Thüringer Waldes.
Der Weg dorthin führte durch kleine Dörfer entlang, unter Autobahnen hindurch und an verdächtigen Feldern vorbei.
Zur Mittagszeit überquerte ich die ehemalige innerdeutsche Grenze und so nach und nach schob sich der Thüringer Wald ins Sichtfeld.
Wie eigentlich überall auch sonst, schaute ich mich am Ende des Tages am Etappenziel etwas um und schlenderte durch Schmalkalden.
Am siebten Tag pedalierte ich über den Thüringer Wald – die letzte grosse Erhebung! Alles was jetzt noch kommt, fällt nur noch in die Kategorie “Hügel”.
Bedingt durch eine Baustelle hatte ich die ganze Strasse hinauf zum Rennsteig für mich alleine. Wunderbar.
Die Ortsnamen auf den Wegweisern klangen vertraut – so manche Ferien in der Kindheit wurden hier in der Region verbracht. Es war ein bisschen wie die erste richtige Ankunft auf der Reise.
Durch das Thüringer Becken fuhr ich an Erfurt vorbei, weiter Richtung Norden.
Und plötzlich ein “Fingerzeig”.
Also wenn das Ziel schon auf Wegweisern erscheint, kann es ja nicht mehr weit sein …
Ein Stück des Weges ging es an der Unstrut entlang, Richtung Mansfelder Land, an den Ausläufern des Harzes endete diese Etappe.
Am Morgen des achten Tages kamen die Pyramiden des Mansfelder Landes in Sicht.
Hinter der Rosenstadt Sangerhausen folgte der steilste Anstieg der Tour, der aber zum Glück nicht allzu lang war. Ab jetzt ging es nur noch mehr oder weniger eben weiter.
Die Fahrt durch die manchmal etwas verlassen wirkende Region Richtung Magdeburg war wenig abwechslungsreich. Meist führte der Weg an riesigen abgeernteten Feldern und Windparks entlang.
Und tatsächlich wehte der Wind ordentlich aus Nordwest und nagte an der Moral. Ganz froh war ich, als sich Magdeburg ankündigte, wo ich dann auch übernachtete.
Von Magdeburg fuhr ich ein gutes Stück auf dem Elberadweg entlang. Endlich wieder grüne Wiesen und keine Autos.
Dann folgte der Mittellandkanal, der uns als wichtige Verkehrsverbindung schon im Heimatkundeunterricht nahegebracht wurde.
Über Schotterwege und Landstrassen ging es weiter nach Tangerhütte und schliesslich Tangermünde mit seiner schönen Altstadt.
Die Altstadt von Tangermünde lohnt einen längeren Besuch. Da ich an diesem Tag einen “Ruhetag” eingelegen wollte, hatte ich den ganzen Nachmittag und Abend Zeit, durch die Gassen zu streifen.
Weiter ging die Reise am zehnten Tag auf dem Elbradweg nach Norden. Ein letztes Mal wurde der Fluss überquert und bald schon war ich in Mecklenburg-Vorpommern.
Diesmal fielen tatsächlich fünf Tropfen vom Himmel, aber das Wetter hielt sich auch jetzt und trocken kam ich in Plau am See an.
Tag 11 – die letzten 110km lagen vor mir – Heimspiel!
In Güstrow präsentierte sich das Schloss bei schönstem Wetter, Kraniche lärmten auf den Wiesen, bald lag Bützow hinter mir.
Natürlich blies der Wind ungeschützt von vorn, aber es lag schon Salz in der Luft und die paar restlichen Kilometer waren nur noch die Kür.
In Bröbberow – was für herrliche Namen gibt es hier – kam es dann zum einzigen Zwischenfall der Reise. Eine Wespe stach ordentlich zu und hinterliess eine wirklich dicke Lippe. In der Apotheke empfahl man mir, die Flasche gleich auf Ex zu trinken.
Wenig später dann die Einfahrt in die Heimatstadt. Wahrscheinlich der kleinste beschilderte Ortseingang von Rostock.
Eine gute halbe Stunde später rollte ich dann in Warnemünde dem Ziel entgegen – der Westmole. Genau hier ging die Reise zu Ende.
Nach 1250km ohne Panne und ohne Regen war die Reise nach elf Tagen zuende. Und diesmal schlug auch das Wetter sofort um, sodass ich schnell in der Herberge Unterschlupf suchte. Also alles wie immer. Wunderbar.